2006
Ritter Trenk
Oetinger Verlag
Ich wollte eine Geschichte schreiben, die kleinen
Jungen Spaß macht
Kirsten Boie über „Der kleine Ritter Trenk“
Leibeigen geboren, leibeigen gestorben, leibeigen ein Leben
lang – ja, so heißt es wohl! Aber ist es nicht schrecklich
ungerecht, das alle Bauern ihrem Ritter gehören und kein
bisschen sich selbst? Das findet jedenfalls der Bauernjunge
Trenk. Er will es einmal besser haben als sein Vater, der schon
wieder auf der Burg Schläge bekommen soll. Und so bricht
Trenk mit seinem Ferkelchen am Strick auf in die Stadt, um
dort sein Glück zu machen. Doch so einfach, wie Trenk sich
das vorgestellt hat, macht Kirsten Boie es ihm in ihrem neuen
Buch nicht. Am Ende muss er sogar gegen den gefährlichen
Drachen ins Feld ziehen!
Mit „Der kleine Ritter Trenk“ begeben Sie sich in die
Vergangenheit, ins Mittelalter was hat Sie an diesem Thema
gereizt?
Kirsten Boie: „Mir ist es bei diesem Buch darum gegangen
eine Geschichte zu schreiben, die kleinen Jungen Spaß macht
die brechen uns als Leser ja mehr und mehr weg. Darum
wollte ich einfach auch mal ein typisches Jungenthema
behandeln, wobei die Mädchen dann trotzdem nicht zu kurz
kommen. Immerhin spielt Trenks falsche Kusine Thekla ja eine
wichtige Rolle. Ein historischer Roman ist das Buch in meinen
Augen eigentlich nicht. Da stünden für mich Fragen nach der
geschilderten Zeit und ihrer Gesellschaft im Mittelpunkt. Beim
„Kleinen Ritter Trenk“ geht es dagegen doch vor allem um
einen kleinen Jungen, der es schafft, vom Bauernjungen zum
Ritter zu werden ein im Mittelalter vermutlich nicht sehr
realistisches Geschehen.“
Die Beschreibung des Mittelalters, die Situation der
Leibeigenen, das Leben in der Stadt und auf dem Land, sind
genau und historisch korrekt beschrieben. Haben Sie für das
Buch viel recherchiert?
Kirsten Boie: „Ich habe eine ganze Menge Bücher gelesen
und auch im Internet recherchiert, aber hauptsächlich
deshalb, weil ich mich immer freue, wenn ich einen Vorwand
habe, etwas Neues zu lernen. Aber dann bin ich mit meinem
Wissen doch zum Teil sehr großzügig umgegangen. Das
Mittelalter ist lang, und ich könnte z.B. nicht sagen, ob die
Geschichte eher im neunten oder eher im vierzehnten
Jahrhundert spielt und da gibt es zwischen dem Aussehen
der Burgen, der Rüstungen, der Waffen usw. doch schon
große Unterschiede. Für Barbara Scholz, die Illustratorin, war
das gar nicht so einfach. Die hat nämlich versucht, mit ihren
Illustrationen in einem engen zeitlichen Rahmen zu bleiben!“
Beim Lesen des Textes merkt man, wie Sie sich quasi im
Geiste mit den Kindern unterhalten eine typische
Vorlesesituation, die gerade auch den Erwachsenen viel Spaß
macht. Welche Bedeutung hat das Vorlesen überhaupt für Sie?
Kirsten Boie: „Ich glaube, dass das Vorlesen heute auf dem
Weg zu einer stabilen Lesemotivation eine ganz große,
wichtige Rolle spielt. Lesen lernen ist so schwierig, dass Kinder
die Erfahrung, wie spannend Bücher sein können, zunächst
nur beim Vorlesen machen, nicht beim selber Lesen. Also
ziehen sie dann die anderen, bequemeren Medien einfach vor,
das ist ja völlig nachvollziehbar. Darum glaube ich, dass Eltern
und Lehrer Kindern möglichst lange vorlesen sollten, zumal ja
die Vorlesesituation auch eine Situation großer emotionaler
Nähe sein kann.“
„Der kleine Ritter Trenk“ ist nicht nur spannend und lehrreich
man muss beim Lesen auch immer wieder lachen. Wie
wichtig ist der Humor für Sie und können Sie sich vorstellen,
ein Kinderbuch zu schreiben, bei dem es gar nichts zu lachen
gäbe?
Kirsten Boie: „Ich habe ja auch Bücher zu sehr ernsten
Themen geschrieben, aber selbst da gibt es, glaube ich, für
den Leser ab und zu wenigstens ein bisschen zu lächeln.
Lachen ist ja, sei es im Leben oder beim Lesen, eine hilfreiche
Möglichkeit, auch mit Schwierigem und Schwerem besser
fertig zu werden und ein bisschen Distanz zu gewinnen. Also
ich bekenne mich zum Humor. Lachen stärkt das
Immunsystem.“
Welche Figuren haben Ihnen beim Schreiben besonders viel
Freude gemacht?
Kirsten Boie: „Natürlich die Hauptfigur Trenk, der
Bauernjunge, der sich mit dem Satz: „Leibeigen geboren,
leibeigen gestorben, leibeigen ein Leben lang“ nicht abfinden
will; und seine falsche Kusine, das Ritterfräulein Thekla, die
nicht immerzu nur sticken und Suppe kochen will und mit ihrer
Erbsenschleuder erfolgreich dagegen revoltiert. Auch Theklas
Vater, der gemütliche dicke Ritter Hans vom Hohenlob, der
vom Kämpfen nicht so viel hält und lieber den Gaukler
Schnöps für sich ins Turnier ziehen lässt, ist mir sehr
sympathisch alle drei, das werden Sie jetzt bemerkt haben,
also Menschen, die mit der ihnen von der Gesellschaft
zugewiesenen Rolle ganz flexibel umgehen und sie keineswegs
für Schicksal halten. Im historischen Mittelalter war das sicher
nicht so einfach. Aber dieses Buch ist ja auch fast so etwas
wie ein Märchen.
Wen ich nun überhaupt nicht mag, das ist natürlich der
gemeine Ritter Wertolt der Wüterich, der ist mein
Lieblingsböser. Aber der kriegt dann am Schluss ja auch Ärger
und wird dadurch sogar, darf man hoffen, ein bisschen
gebessert.
Das ist schließlich das Schöne an solcher Art von Geschichten:
Am Ende siegt das Gute, das Böse unterliegt, und die Welt ist
wieder in Ordnung.“
ABDRUCK HONORARFREI BELEGE ERBETEN
Das Interview mit Kirsten Boie führte Anne Petersen (Oetinger) im Juli 2006